Morgens um 5 Uhr sollte es endlich losgehen. Merkwürdig, an
normalen Schultagen komme ich nicht mal um 7 Uhr aus den Federn.
Heute um 4 Uhr war ich schon hellwach und den Rest der Nacht habe
ich vor Aufregung auch kaum geschlafen. Aber heute soll es endlich
losgehen. Ich fahre mit der Jugendgruppe unseres Vereins nach Holland zum
Makrelenangeln.
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Also raus aus dem Bett, waschen, Zähne putzen, anziehen.
Frühstück? Ich habe keinen Hunger. Schnell noch einen Blick auf die
Uhr. Mann, noch eine halbe Stunde Zeit.
Beim Blick auf meine
Angelsachen kommen mir Zweifel. Habe ich wirklich genug Eimer
und Tüten für die Makrelen, die angeblich so zahlreich gefangen
werden?
Die Warterei macht mich nervös.
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Endlich kommt Heinz unser Jugendwart vorgefahren. Schnell sind die Sachen
im Kofferraum verstaut und los geht’s. Vorneweg wir und hinten Rudi mit
seinem Golf.
Nach gut 2 Std. haben wir unser Ziel, Ijmuiden an der holländischen
Nordseeküste erreicht. Nach weiteren 45 Min.haben wir im Hafen auch
unseren Kutter, die Dolfijn gefunden. Anfangs kommen uns Bedenken, diese
kleine rostige Nussschale zu betreten. Doch als der Kapitän mit seiner
Mannschaft an Bord geht, haben wir uns mit dem Boot schon angefreundet.
Die Luft riecht nach Salz und nach Fisch und der Magen meldet sich.
Hunger ! Wir machen es uns gemütlich und frühstücken, was Mutter so
eingepackt hat. Belegte Brote, Frikadellen, Rudi kaut auf seiner
Fleischwurst mit Knoblauch. Endlich ist auch der Schiffsdiesel warmgelaufen.
Leinen los und unsere Nussschale tuckert langsam los. Trotz einsetzendem
Regen ist die Stimmung der 15 Angler an Bord gut. Heinz klärt uns über die
Vorteile bei Kutterfahrten mit Regen auf:
". . . bei
Regen sind die Wellen nicht so hoch."
Er hat Recht, ich sehe keine Wellen im Hafen.
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Allmählich erreichen wir die offene See und diese Wellen haben
sicherlich noch nichts von Karls Theorie gehört.
Aber was soll’s, ich kann auch von einem wackeligen Schiff angeln und
den Makrelen macht es bestimmt auch nichts aus.
Nur im Magen, da wird es mir ein wenig flau. Sicherlich habe ich vorhin
zu hastig gegessen.
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Aus dem Augenwinkel bekomme ich mit, dass einem meiner Angelkollegen
schon das Frühstück aus dem Gesicht fällt. An Hand der Fleischwurststücke,
die auf den Wellen schwimmen, muß es wohl Rudi gewesen sein.
Jedenfalls kein angenehmer Anblick, bei meinem ramponierten Magen. Als
das Schiff zum ersten Mal anhält, geht es mir schon so dreckig, dass ich
nicht einmal mehr Lust zum Angeln verspüre. Halbherzig und entsprechen
erfolglos hänge ich mein Makrelenpaternoster über Bord.
Die Wellen werden auch immer höher. Zudem treiben wir quer mit den
Wellen. Ich habe das Gefühl, der Kutter wird von den riesigen Brechern
zermalmt. Wenn das mal gut geht.
Vor lauter Elend taumele ich in die
Kajüte. Einen großen Teil meiner Angelkollegen finde ich hier wieder.
Scheint ihnen ebenfalls nicht rosig zu gehen. Auch unsere drei Seebären
aus Wesel, mit denen wir uns angefreundet hatten finde ich hier wieder.
In abwechselnder Reihenfolge stürzen sie raus zur Reling, um die Fische
zu füttern. Irgendwann erschein auch unser Jugendwart auf der
Bildfläche. Sein Gesicht hat die Farbe von meinen grünen Angelstiefel
angenommen. Er sieht aus, wie ich mich fühle. Zum Sterben. Er gesellt
sich wortlos zu uns auf eine freie Bank und wartet auf das Ende.
Als einmal ein Holländer die Kajüte betritt, erfasst wieder einmal eine
riesige Welle unser Schiff. Es neigt sich bedrohlich zur Seite. Unser
Holländer verliert das Gleichgewicht und fliegt im hohen Bogen durch die
gute Stube. Ein Tisch gebietet den beeindruckenden Flug Einhalt und er
landet sehr unsanft direkt vor unseren Füßen. Mit einer blutenden Wunde
am Handgelenk hat sich der Angeltag für ihn auch erledigt.
Ich sinniere:
Holland war doch mal eine Seefahrernation, die müssen doch so was
abkönnen.
Aber egal, vom Makrelenangeln wollte jedenfalls keiner von uns
mehr etwas hören. Unser einziger Wunsch, wann hört endlich das Schaukeln
auf.
Irgendwann nach langem Leiden, bemerke ich, wie die Motorgeräusche
ruhiger werden. Der Blick aus dem Fenster lässt mich aufjubeln. Land in
Sicht. Die See ist auch nicht mehr so rau und meinem Magen geht es schon
wesentlich besser.
Mir kommen die vergangenen Stunden wie ein Alptraum vor.
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Wie sich dann später herausstellt, waren auf dem ganzen Schiff außer dem
Kapitän und seiner Crew, sowie Lars aus unserer Jugendgruppe, alle Seekrank
geworden.
Im Hafen, mit festem Boden unter den Füßen, sind wir dann alle wieder
obenauf. Ein Wahnsinnshunger hat uns befallen. Kein Wunder, unsere Mägen
sind nach dem Ausflug total leer. Wir beschließen, die nächste Frittenbude
anzusteuern. Bei Pommes mit Majo und Frikandell Spezial können wir über die
eine oder andere Szene, die sich auf der Dolfijn abgespielt hat, schon
wieder herzlich lachen.
Wenn auch unser Fangergebnis nicht erwähnt werden braucht, steht fest und
darin sind wir einer Meinung, diese Fahrt war ein Erlebnis.
Eine Frage beschäftigte mich allerdings noch lange. Warum wurde unser
Lars, den ich vorhin schon erwähnte, nicht Seekrank? Lag es vielleicht
daran, dass er vor der Abfahrt Reisetabletten geschluckt hat? Sollten
wir wieder einmal eine Hochseeangelfahrt planen, nehmen wir ihm diese
Tabletten vorher ab, denn
. . . . . denn wir Angler brauchen kein
Doping.
Unsere Billanz:
Fang: 7 Makrelen
Seekrank: 6 von 7
© 2006 Harald Will
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